Interwiev mit OstContract

Produktzertifizierung: Worauf ist zu achten interwiev mit dem OstContract

Innerhalb der Eurasischen Wirtschaftsunion garantiert Produktzertifizierung die Einhaltung von Qualitätsstandards. Was müssen Unternehmen beim Zertifizierungsprozedere beachten? Reinhold Getmanskij, Vorstand des Zertifizierungsunternehmens Gostnorm AG, beantwortet Fragen zu diesem Thema

Herr Getmanskij, was ist ein Zertifikat oder eine Deklaration und wer braucht diese?

Die sogenannten TR-ZU Zertifikate und TR-ZU Deklarationen für die EAWU sind Qualitätsnachweise. Diese sind in allen fünf Mitgliedsstaaten der EAWU (Russland, Belarus, Kasachstan, Armenien und Kirgistan) vorgeschrieben. Die Vorlage dieser Zertifikate ist importrelevant und wird beim Zoll sowie später bei der Inbetriebnahme kontrolliert. Das Zertifikat oder Deklaration können sowohl vertragsbezogen als auch für eine Laufzeit bis zu 5 Jahren ausgestellt werden. Abhängig von den Erzeugnissen und Ländern können jedoch auch weitere länderspezifische Zertifikate und Zulassungen erforderlich sein.

Wie läuft eine Produktzertifizierung ab?

Abhängig vom Produkt, Einsatzbereich und den einzelnen Zertifizierungsschemata kann sich die Prozedur der Produktzertifizierung stark unterscheiden. In der Regel wird im ersten Schritt die Zertifizierungspflicht der jeweiligen Erzeugnisse geprüft. Dies geschieht anhand der Zolltarifnummer, den anzuwendenden technischen Regelwerken (TR) und dem Einsatzgebiet. Anschließend wird ein Zertifizierungskonzept erstellt und mit dem Auftraggeber abgestimmt. Im nächsten Schritt erfolgt die Aufbereitung der Dokumentation, welche in Russisch und in der jeweiligen Sprache des Ziellandes erstellt werden muss. Parallel dazu erfolgt die Prüfung der Produktionsstätte durch ein Audit und die Entnahme von Produktmustern vor Ort beim Hersteller. Die Prüfung der Erzeugnisse kann auf drei verschiedene Arten erfolgen: Vor Ort beim Hersteller, durch befristete Einfuhr zwecks Durchführung von Prüfungen und in dem Betrieb, wo die Anlage installiert wird.

Nach Abschluss der Prüfungen werden Prüfberichte erstellt und in das Register von „Rosakkreditazia“ hochgeladen. Nach erfolgreicher Prüfung wird das Zertifikat ausgestellt.

Welche Produkte sind zu zertifizieren?

Grundsätzlich muss alles, was in die EAWU exportiert wird, zertifiziert werden. Sofern Erzeugnisse nicht in den TR-Regelwerken der EAWU erfasst sind, gelten für diese die nationalen Normen der einzelnen Mitgliedsstaaten. Somit kommt es noch vereinzelt vor, dass Gost-R Zertifikate für Russland, ein Gost-K für Kasachstan oder eine Gospromnadzor Zulassung für Belarus erstellt werden müssen. Dies muss im Einzelnen geprüft werden.

Welcher Zeitraum ist für eine „übliche“ Zertifizierung zu veranschlagen?

Die Fristen für die Durchführung der Zertifizierung schwanken sehr. Eine Deklaration kann innerhalb von 1-2 Wochen ausgestellt werden, eine Zertifizierung kann jedoch auch 3-4 Monate beanspruchen. Dies hat mehrere Gründe, zum Einem ist in den TR geregelt, welche Prüfungen durchgeführt werden müssen, und zum Anderem kommt es auf die Vollständigkeit der Dokumentation des Herstellers an.

Wir empfehlen alle Komponenten direkt bei den Unterlieferanten mit der Dokumentation für die EAWU anzufragen. Viele Hersteller haben spezielle Baureihen ihrer Produkte für die EAWU zertifiziert und stellen auch die dazugehörige Dokumentation zur Verfügung.

Wer muss als Antragsteller bei der Zertifizierung auftreten?

Der Antragsteller muss eine juristische Person, die in der EAWU registriert ist. Die Handhabung ist ähnlich wie in der EU, wo der Importeur die CE-Konformitätserklärung erstellt und gegenüber dem Konsumenten die Produkthaftung übernimmt.

Warum und in welchen Situationen muss ein Audit durchgeführt werden?

Ein Audit wird zu Beginn der Zertifizierung durchgeführt und im Herstellerwerkt das QS-Management-System geprüft. Dabei werden die Voraussetzungen einer gleichbleibenden Produktqualität untersucht. Bei dem Audit werden auch, sofern vorgeschrieben, Produktmuster entnommen. Bei Zertifikaten, die auf eine Serie mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr ausgestellt werden, müssen jährliche Audits, auch als Inspektionskontrollen genannt, durchgeführt werden, damit die Zertifikate ihre Gültigkeit behalten.

Kann ich die Zertifizierung auch in Deutschland durchführen lassen?

Das Gesetz schreibt vor, dass ausschließlich akkreditierte Stellen innerhalb der EAWU Zertifikate und Deklarationen registrieren und ausstellen dürfen. Es gibt aber eine Handvoll Dienstleister in Deutschland und der EU, die die Hersteller bei der Durchführung der Zertifizierung unterstützen oder die Durchführung komplett übernehmen können.

Worauf sollte man bei der Wahl des Zertifizierungspartners achten?

Der Zertifizierungspartner sollte lange am Markt sein, aussagekräftige Referenzen vorweisen und die Zertifizierung im Kerngeschäft betreiben. Es sollte auf jeden Fall von pauschalen Angeboten und Festpreisen ohne vorherige Prüfung der Dokumentation Abstand genommen werden, diese entpuppen sich oft als ein Fass ohne Boden.

Ein Zertifizierungspartner aus Deutschland bietet Transparenz und Sicherheit, bei juristischen Auseinandersetzungen gilt hier das deutsche Recht. Wenn ein Zertifikat fehlerhaft ausgestellt wurde, ist es sehr schwierig im Ausland Recht zu bekommen. Es sollte auch beachtet werden, dass Zertifikate bis zu fünf Jahren gültig und während der Laufzeit Folgeinspektionen vorgeschrieben sind. Dies wird in der Regel bei ausländischen Anbietern in den Angeboten nicht erwähnt und führt oft zu Missverständnissen. Die Akkreditierungsbehörde „Rosakkreditazia“ ist berechtigt, bei einer Feststellung von Fehlern oder Verstößen gegen die festgelegten Regelwerke, die Zertifikate für ungültig zu erklären.

Was sind Ihre Empfehlungen an Unternehmen, die nach Russland und die EAWU liefern möchten?

Früher war die Zertifizierung der letzte Schritt, welcher unmittelbar vor der Lieferung erledigt werden musste, heute ist es ein zwingender Bestandteil, der noch während der Angebots- oder Ausschreibungsphase erfolgt. Bei Großprojekten werden sogar sogenannte Zertifizierungsmatrix für die gesamte Lieferspezifikation und alle Komponenten erstellt. Diese Matrix muss im Vorfeld mit dem Kunden abgestimmt werden. Im weiteren Verlauf wird jede Warenposition auf die Zertifizierungs- oder Deklarierungspflicht geprüft. Die Matrix bildet die Grundlage für die Zulassung des Gesamtprojektes. Die Bearbeitung einer solchen Matrix ist sehr aufwendig und die Preise für diese Prüfung schwanken stark. Daher wird empfohlen, noch vor Angebotsabgabe eine Beratung beim Zertifizierungspartner einzuholen. Dies gilt auch bei Projekten, die an einen Generalunternehmer in der EU geliefert werden.

Das Interview führte Dimitri Kling vom OWC Verlag